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Muskel-Sehnen-Interaktion

Es wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass der Muskel den alleinige Antrieb unseres muskulo-skelettalen Systems darstellt. Doch seit der Jahrtausendwende konnte man mithilfe von Ultraschallaufnahmen eine Wechselwirkung zwischen Muskel und Sehnen nachweisen, die einen erheblichen Einfluss auf unsere sportliche Leistungsfähigkeit hat, v.a. bei Dehnungs-Verkürzungs-Zyklen (DVZ) in den Sprint- und Sprungdisziplinen. Die Kraftfähigkeit der beteiligten Muskeln, die bekanntermaßen von der Kraft-Längen- und Kraft-Geschwindigkeits-Relation abhängig ist, dehnt die Sehnen, die aufgrund ihrer Steifigkeit in der Folge wie Federn fungieren. Der sogenannte „Katapulteffekt“ ermöglicht durch eine schnelle Rückgewinnung der zuvor in der Muskel-Sehnen-Einheit gespeicherten Energie nicht nur explosive, sondern auch ökonomische Bewegungen. Ohne die Muskel-Sehnen-Interaktion wären reaktive Sprünge wie z.B. der Drop Jump in der uns bekannten Dynamik nicht ausführbar (s. Grafik).

Muskel-Sehnen-Interaktion bei Drop Jumps modifiziert nach Fukashiro et al. (2006, Biomechanical behavior of muscle-tendon complex during dynamic human movements. Journal of Applied Biomechanics, 22 (2), 131-147). Während die Muskelfasern (mittlere Schleife) nach anfänglich kurzer konzentrischer Kontraktion (grün) quasi isometrisch (blau) Kräfte von bis zu 1000 N erzeugen, vollzieht die Achillessehne (äußere Schleife) einen ausgeprägten Dehnungs-Verkürzungszyklus (rot & grün) mit hohen exzentrischen und konzentrischen Kontraktionsgeschwindigkeiten. Insgesamt ergibt sich daraus das dargestellte Kontraktionsmuster der Muskel-Sehnen-Einheit (grau gestrichelt).

Exzentrische Kontraktionsbedingungen scheinen auf den ersten Blick zwangsläufig eine Verlängerung des Muskels zu bewirken. Doch bei näherer Betrachtung ist es der Muskel-Sehnen-Komplex, der sich z.B. im Verlauf des Landens (s. Grafik 3 bis 4) verlängert. Durch das enorme Kraftpotenzial des M. trizeps surae kommt es initial sogar zu einer leichten Verkürzung der Muskelfasern, was in der Folge zu einer schnellen Dehnung der elastischen Achillessehne führt (s. Grafik 4). Der große Vorteil dieser Interaktion liegt darin, dass die Dehnung der Sehne die Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskelfasern enorm verringert, wodurch sich sich eine Steigerung der Kontraktionskraft hinsichtlich der Kraft-Geschwindigkeits-Relation einstellt. Schließt sich an die Dehnung eine explosive konzentrische Kontraktion an, so löst sich wie bei einem Katapult die in der Sehne gespeicherte Energie. Die schlagartige Verkürzung der Sehne verursacht hohe Kräfte und damit verbunden große Beschleunigungen (s. Grafik 5).

Die Höhe der Dehnung und der Dehnungsgeschwindigkeit sowie der aus dem DVZ resultierende Kraftstoß (=Produkt aus Kraft und Zeit) hängen von den morphologischen (z.B. Volumen) und mechanischen (z.B. Steifigkeit=Kraft pro Längenänderung) Eigenschaften der Sehne ab. Um diese zu verbessern, sind hohe Widerstände (Intensitäten) und geringe Reizdauern (Time under Tension) nötig (z.B. Reaktivkrafttraining). Jedoch sind die exakten Belastungsnormative für ein optimales Training der Sehnen noch nicht eindeutig bestimmt. Die ganze Angelegenheit wird dann noch komplizierter, wenn man berücksichtigt, dass für manche Sehnen eine hohe (z.B. Achillessehne) und für andere eine niedrige Steifigkeit (z.B. Patellasehne) von Vorteil ist. All dies unterstreicht das komplexe tendo-muskuläre Zusammenspiel, auf dem die Bewegungen unseres muskulo-skelettalen Systems basieren und in dem die Sehnen eine wichtige Rolle in der Energiespeicherung und -freigabe spielen.

Bei der augenscheinlichen sportartspezifischen Relevanz der Muskel-Sehnen-Interaktion sollte dieses Wissen auch in das Krafttraining einfließen. Dabei sollte Trainern und Athleten stets bewusst sein, dass die Anpassungs- und Regenerationsfähigkeit der Sehnen u.a. aufgrund ihrer geringen Durchblutung um ein Vielfaches geringer sind als die der Muskeln. Dies bedeutet, dass ein schnelles Muskelwachstum (z.B. im Zuge eines intensivierten Hypertrophietrainings in der allgemeinen Vorbereitungsphase) mit einer Überlastungserscheinung der beteiligten Sehnen einhergehen kann, v.a. wenn sie nicht durch ein entsprechendes Beweglichkeitstraining und eine myofaziale Reduzierung des Tonus begleitet wird. Hier sollte man besonders auf eine an die Individualität des Athleten angepasste Relation von Belastung und Erholung achten.

Tobias Alt

 
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